"Schauen Sie ma(h)l R(h)ein"
Dieses Motto des Vereins, der die historische Schiffsmühle in Ginsheim betreut, nahm der Heimat-und Geschichtsverein Igstadt wörtlich. Die diesjährige Halbtagesfahrt am 11. Mai 2019 führte uns bei leider kühlem und regnerischem Wetter zum Altrhein.
An der Exkursion nahmen 30 Personen teil. Über mehrere Jahrhunderte hinweg arbeiteten Schiffsmühlen im Rhein vor Ginsheim. Zunächst noch im Altrhein, bis in Astheim der Steindamm gebaut wurde, dann im Hauptstrom des Rheins. Natürlich wurde nicht nur Ginsheimer Getreide verarbeitet; aus dem gesamten Ried brachten Bauern das Getreide zum Mahlen. Vor allem in trockenen Jahren hatten die Schiffsmüller viel Arbeit, und es wurde Tag und Nacht besonders hart gearbeitet, wenn die Bäche im Ried und im vorderen Odenwald nicht mehr genug Wasser zum Antreiben der Mühlräder führten. Aber auch die Ginsheimer Wirte – von denen es eine recht große Anzahl gab und immer noch gibt – haben ebenso wie die Schmiede, die Schreiner und die Wagner von ihren Gästen, die das Getreide anlieferten und das Mehl mitnahmen, profitiert. So war Ginsheim in den vergangenen Jahrhunderten eine verhältnismäßig wohlhabende Gemeinde. Bis zu 21 dieser schwimmenden Kleinbetriebe zur Getreideverarbeitung waren hier gleichzeitig verankert, bevor sie der aufkommenden Industrialisierung und dem wachsenden Schiffsverkehr weichen mussten. Die letzte Schiffsmühle stellte 1928 ihren Betrieb ein, wurde sofort unter Denkmalschutz gestellt und 1934 nach Mainz geschleppt. Leider ist dieses Original am 27. Februar 1945 bei einem Luftangriff zerstört worden. Im Jahr 2002 wurde seitens des Heimat- und Kultur-Vereins Ginsheim der Entschluss gefasst, eine Schiffsmühle zu rekonstruieren. Dazu wurde im Jahr 2008 eigens der Verein „Historische Rheinschiffsmühle“ gegründet. Nachdem die Finanzierung gesichert war, begann im Jahr 2011 die Rekonstruktion. Auf einem stählernen Ponton wurde der Mühlenaufbau nach allen Regeln der Zimmermannskunst aus Holz errichtet. Viele Teile der Mühlentechnik konnten aus anderen Mühlen als Originale wieder eingebaut werden. Seit 2015 ist die Schiffsmühle zu besichtigen. Heute bietet die authentische Rekonstruktion der letzten produktiven Rheinschiffsmühle interessante und spannende Einblicke in die Technik und die Arbeitsbedingungen vergangener Zeiten.
Nach der Begrüßung durch den 1. Vorsitzenden des Vereins „Historische Rheinschiffsmühle“ e.V., Herbert Jack, folgte die Führung durch die Mühle. Alle Arbeitsschritte des Mahlvorgangs, die Technik und die Arbeits- und Lebensbedingungen der Müller und ihrer Gesellen wurden hochinteressant und anekdotenreich vorgestellt. Die Walzenstühle, Siebvorrichtungen und Geräte zur Getreidereinigung wurden in Gang gesetzt und erklärt. Im Laufe des Verarbeitungsprozesses wird das Mahlgut mehrfach über Elevatoren in die oberen Etagen gebracht und gelangt auf seinem Weg durch die einzelnen Maschinen durch die Schwerkraft wieder nach unten. Die Teilnehmer konnten während der fast 2-stündigen Führung in die Welt des Mühlenbetriebs eintauchen und gewannen viele interessante Eindrücke. Die Außenbesichtigung der Schiffsmühle fiel aufgrund des schlechten Wetters nur sehr kurz aus. Anschließend kehrten die Igstadter im Ginsheimer "Ratskeller" ein und ließen den Tag bei leckerem Essen und Trinken in gemütlicher Runde ausklingen.
Hans-Jürgen Werner
Heimat- und Geschichtsverein Igstadt