Im Jahr 1697 schrieb der Chronist Johann Just Winkelmann, dass die meisten Dörfer und Städte in Hessen mit Graben, Wall und Hecken befestigt sind. Auch Igstadt war, wie alle Dörfer des Ländchens, geschützt durch eine undurchdringliche Hecke, durch Pforten und ein Tor. Auf der Karte aus dem Jahr 1801 (Bild 1) kann man die Befestigungen der Ländchesorte teilweise noch erkennen, obwohl die Straßendarstellungen der Orte nicht sehr genau sind. Bereits seit dem späten Mittelalter gab es diese Befestigungen, die Landwehren genannt wurden. Dabei handelt es sich im Gegensatz zu Burg- oder Stadtmauern um Absicherungen eines Territoriums durch Hecke, Wall und Graben. Die bekannteste Landwehr in unserer Gegend war das Rheingauer Gebück. Es wurde im 12. Jahrhundert auf Anordnung des Mainzer Erzbischofs angelegt, um den Rheingau, der zum Erzbistum Mainz gehörte, gegen die benachbarten Fürstentümer abzusichern. Das Gebück war etwa 40 km lang und verlief von Niederwalluf aus nordwärts über Oberwalluf, nach Schlangenbad, dann westwärts über Hausen vor der Höhe, Hof Mappen und Presberg zur Kammerburg an der Wisper. Über Sauerthal erreichte es nördlich von Lorchhausen den Rhein.
Der Name "Gebück" kommt daher, dass man Bäume wie Buchen, Eichen und vor allem Hainbuchen in einer Höhe von mehreren Metern kappte und die seitlichen Zweige zur Erde bog ("bückte") und untereinander verflocht. Dazwischen pflanzte man oder es wuchsen von selbst Dornensträucher wie Schwarzdorn. So entstand ein undurchdringliches Gestrüpp. Das Gebück war 50 bis 60 Meter, teilweise bis zu 100 Meter breit und an wichtigen Durchgangsstraßen durch befestigte Tore gesichert. Immerhin hat es etwa 500 Jahre lang den Rheingau geschützt und wurde erst 1771 nach einem schriftlichen Befehl des Mainzer Erzbischofs Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim aufgegeben und weitgehend gerodet. Eine letzte Tordurchfahrt durch das Gebück sieht man noch an der Mapper Schanze, dort wurde auch ein Stück des Gebücks wieder aufgeforstet.
Auch in Igstadt ist heute nichts mehr von der alten Dorfbefestigung zu sehen. Wenn wir uns den Ortsplan von Igstadt aus dem Jahr 1890 ansehen, können wir jedoch noch einige Anhaltspunkte über den Verlauf der alten Schutzeinrichtung finden.
Der Ortsplan zeigt, dass ein geschlossener Ring von Feldwegen rund um den Ort führte. Die Dornkratzstraße, die Sudetenstraße und die Straße Am Wasserturm waren noch nicht ausgebaut. Man erkennt auch, dass es entlang der Feldwege teilweise noch schmale Grundstücke gab, im Bild rot umrandet, die etwa acht bis zehn Meter breit waren. Nur drei Straßen führten in die Nachbarorte: Die St.-Walbertus-Straße in Richtung Breckenheim und Medenbach, die Glöcknerstraße in Richtung Bierstadt und die Hauptstraße an der Lindenhöhe vorbei in Richtung Nordenstadt und Erbenheim. Auf Grund dieses Ortsplans lässt sich zeigen, wie der Verlauf der alten Ortsbefestigung ausgesehen hat:
Die Hecke zum Schutz des Ortes verlief entlang des Ringes von Feldwegen rund ums Dorf. Sie bestand wahrscheinlich aus Hainbuchen, Rüstern (Ulmen) und Dornensträuchern. Die rot umrandeten Grundstücke in Bild 2 zeigen, dass diese Hecke etwa acht bis zehn Meter breit gewesen sein muss, denn diese Grundstücke sind die letzten, auf denen die Hecke angepflanzt worden war. Die fehlenden Hecken-Grundstücke waren 1890 bereits den angrenzenden Gärten zugeschlagen worden. Im Lageplan, den der Klosterverwalter Johann Wilhelm Wurm im Jahr 1735 vom Altmünsterhof angefertigt hat, ist die Hecke ebenfalls als Grenze des klösterlichen Hofgutes eingezeichnet und wird dort als Landwehr bezeichnet. Ob es zusätzlich zur Hecke auch einen Graben gab, ist nicht bekannt. Die Flurbezeichnung "Vorm Graben" deutet jedoch darauf hin, dass es zumindest zwischen Breckenheimer Straße und Nordenstadter Straße entlang der Hecke auch einen Graben gegeben haben könnte. Anhand der heutigen Straßen kann man den Verlauf der Hecke beschreiben. Das Nordenstadter Tor befand sich zwischen der Einfahrt zur Jahnhalle (Sporthalle) und der Einmündung der Straße Am Wasserturm. Die Hecke folgte dem Verlauf der Straße Am Wasserturm bis zu dem Weg, der gegenüber dem Haus Nr. 17 nach links einbiegt. Hier verlief sie entlang dieses Weges bis zur Hohlpforte, die die heutige St.-Walbertus-Straße abschloss, und dann entlang der Medenbacher Straße bis zum ersten Feldweg, der nach links einbiegt. Der Feldweg bildet die hintere Begrenzung der Häuser, die an der Altmünsterstraße liegen, z. B. auch die ehemaligen Klösterhöfe Gnadentaler Hof und Altmünsterhof (siehe Bild 4). Die Hecke folgte der Grenze des Altmünster-hofes und verlief dann entlang der Dornkratzstraße bis zur Glöcknerstraße. Die Bornstraße war Sackgasse und endete an der Hecke (siehe Bild 2 und 3). Die Brühlpforte stand quer zur Glöcknerstraße etwa dort, wo heute die Sudetenstraße beginnt. Die Hecke folgte nun der Sudetenstraße bis zur Einmündung in die Weingartenstraße und lief dann nach links den Hang hinauf ungefähr dort, wo heute das Schulgebäude von 1952 steht. Oben am Hang endete sie dann am Nordenstadter Tor. Die Lindenhöhe lag innerhalb des Ortsbereiches. Noch heute enden die Seitenstraßen, die von der Hauptstraße ab gehen ebenso wie die Altmünsterstraße in Richtung Kindergarten und der hintere Teil der Altmünsterstraße als Sackgassen, da es dort keine Wege durch die Hecke gab. (siehe blau markierte Straßen in Bild 3).
Die Durchgangsstraße, die von Bierstadt kommend in Richtung Breckenheim verlief, war durch Pforten gesichert. Igstadt lag an der bedeutenden Braubacher Straße, einem alten Handelsweg, der von Braubach am Rhein über Nastätten, Bad Schwalbach, Wiesbaden, Hofheim, Höchst bis nach Frankfurt am Main führte (siehe Bild 1). Da Igstadt von 1492 bis 1802 zu Hessen gehörte, der Nachbarort Bierstadt aber zu Nassau, war Igstadt auch bis 1802 Grenzort, bevor es wie das gesamte Ländchen zu Nassau kam. (Zum Ländchen gehören neben Igstadt die Orte Breckenheim, Delkenheim, Diedenbergen, Langenhain, Massenheim, Medenbach, Nordenstadt, Wallau, Wildsachsen und die Domäne Mechtildshausen).
Die Pforten
Aus dem Brandkataster von Igstadt, das im Stadtarchiv Wiesbaden aufbewahrt wird, wissen wir, wie die obere Pforte ausgesehen haben muss: Der untere Teil war aus Stein gebaut, 15 Fuß hoch (etwa 4,50 Meter) und besaß eine Tordurchfahrt. Das obere Stockwerk bestand aus Fachwerk und war 8 Fuß hoch (etwa 2,40 Meter). Die Pforte war 32 Fuß breit (etwa 10 Meter) und stand quer zur Straße zwischen der Stelle, an der heute das Eckhaus St.-Walbertus-Straße / Medenbacher Straße steht und dem gegenüberliegenden Pfad, der in Richtung Wasserturm verläuft und den alten Grenzweg vor der Hecke markiert. Die obere Pforte wurde auch Hohlpforte genannt. Der Name deutet darauf hin, dass die Felder hinter der Pforte als Hohlfelder bezeichnet wurden. Im Dialekt wurde "hohl" eher als "hahl" ausgesprochen. Laut dem Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm bedeutet "hahl" im hessischen Dialekt „trocken, mager, dürre, austrocknend“. Tatsächlich haben die oberen Felder Richtung Medenbach und Breckenheim eher trockene Böden im Gegensatz zu den Gemarkungen "Nassländer" und "Nassgewann", die nahe am Wickerbach liegen.
Die unter Pforte wurde als Brühlpforte bezeichnet, passend zur Gemarkungsbezeichnung Brühlfeld. Sie hat wahrscheinlich ähnlich ausgesehen wie die Hohlpforte. Das Brühlfeld liegt in Richtung Bierstadt in der Nähe des Oranienhofes und hat einen ertragreichen Boden. In verschiedenen Quellen wird berichtet, dass das Wort Brühl schon 1335 als "brüell" bekannt ist. Angeblich leitet es sich aus dem lateinischen Wort Broglius ab und bedeutet soviel wie "umgrenztes Gebiet eines Grundherrn". Der Feldweg in Richtung Nordenstadt bzw. Erbenheim wurde durch ein Tor abgeschlossen, das etwa so ausgesehen haben könnte, wie es Bild 6 zeigt. In der Hohlpforte hat ein Pförtner gewohnt, an der Brühlpforte mussten die Einwohner im Wechsel den Pförtner stellen. Bei Verlassen des Postens war eine Strafe fällig. Am Tor in Richtung Nordenstadt war kein Wächter postiert. Das Tor wurde abends durch die benachbarten Bauern geschlossen.
Was ist aus der Hecke und den Pforten geworden?
Nach den napoleonischen Kriegen, etwa ab 1815, hatten die Dorfbefestigungen ihre Bedeutung verloren. In dieser Zeit wurden die Hecken gerodet und Gräben zugeschüttet, um Platz für die Ausdehnung der Ortschaften zu schaffen. Die Hohlpforte wurde in Teilen 1817 versteigert. Der obere, aus Fachwerk bestehende Teil wurde abgerissen, die Steine des unteren Stockwerks wurden zum Stücken der Feldwege benutzt. Das Eckhaus St.-Walbertus-Straße / Medenbacher Straße und die Häuser mit den Hausnummern 1, 2, 4 und 4a in der Medenbacher Straße stehen auf dem Streifen, auf dem einst die Hecke der Dorfbefestigung verlief.
Autor: Reinhold Voigt, HGV Igstadt, September 2019
Willkommen in Igstadt. Diese freundlichen Begrüßungen befinden sich seit 2018/2019 an den Ortseingängen aus Richtung Bierstadt und Breckenheim. In weit zurückliegenden Tagen gelangten die
Besucher durch die Hohlpforte in den Ort. Lesen Sie hierzu den spannenden Bericht zur Igstadter Dorfbefestigung "Hecken,
Pforten und ein Tor".