Der Ursprung Igstadts reicht zurück bis in die urkundenlose fränkische Zeit im 6. und 7. Jahrhundert. Zahlreiche urkundliche Erwähnungen findet Igstadt erst ab dem 13. Jahrhundert. In der "Chronik 1" werden die Anfänge Igstadts anschaulich und ausführlich dargestellt.
Bereits im 16. Jahrhundert lebten Menschen jüdischen Glaubens in Igstadt. Davon zeugt eine Urkunde im Hessischen Archiv-Dokumentations- und Informationssystem (HADIS) aus dem Jahre 1569: Erwähnt werden die Juden Abraham und Dreutle zu Igstadt im Zusammenhang mit Verhandlungen über eine Abgabeverpflichtung an den Landgrafen Ludwig IV zu Hessen. In der Quelle Germania Judaica,Teil IV, 1520-1650, findet man ebenfalls einen Hinweis auf die beiden Juden Abraham und Dreutle aus Igstadt. 1570 zahlten sie ein Schutzgeld von je 12 Gulden an den Landgrafen. In den Recherchen der Historischen Werkstatt Eschborn ist zu lesen: „Die Juden waren aber auch in die allgemeinen Abgaben miteinbezogen. So entrichtete 1594 Menk von Diedenbergen, Moschi von Nordenstadt, ein Jude in Wallau, Davids Witwe und Mendel in Igstadt von ihren Behausungen je zwei Rauchhühner.“ Es gab somit noch weitere jüdische Familien.
Es ist beurkundet, dass der Jude Seligman aus Igstadt zu den acht Vertretern der hessischen Judenschaft gehörte, die im Jahre 1599 einen Vertrag mit dem
Landgrafen Ludwig IV von Hessen-Marburg über Steuerzahlungen unterzeichneten. Quelle online: Wolfgang Treue. Zwei hessische Diplomaten. Hauptleut und Vorgänger im 16. Jahrhundert. Beiträge
zur deutsch-jüdischen Geschichte. Salomon Ludwig Steinheim-Institut. Universität Duisburg-Essen, 12. Jahrgang 2009, Heft 4.
Es ist bemerkenswert, dass die Igstadter Juden Abraham,
Dreutle (1569) und Seligman (1599) Delegationen angehörten. Das lässt auf ihren sozialen und wirtschaftlichen Status schließen, waren doch auch nicht wenige Landjuden zu dieser Zeit verarmte
'Betteljuden'. Wo im 16. Jahrhundert die jeweiligen Familien in Igstadt gewohnt haben, konnte ermittelt werden.
Im 30-jährigen Krieg (1618-1648) ging die Bevölkerungszahl nicht nur in Igstadt stark zurück. Von 73 Igstadter Haushalten im Jahre 1610 blieben 1643 noch 20 Einwohner. Es mag bezweifelt werden, ob sich darunter noch jüdische Einwohner befanden, allerdings gibt es in der Gemeinderechnung von Igstadt bereits 1665 erneut einen Hinweis auf einen (1) Juden, der eine Abgabe entrichtete. Die Igstadter Gemeinderechnungen aus zwei Jahrhunderten finden Sie in dem aufschlussreichen Artikel von Dr. Hartmut Essig (+) in der Chronik 1, Seite 146 ff.
Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts sind zur Zeit zwei Familien nachweisbar. Dies ist die Familie von Heyum Samuel, geboren 1731, Geburtsort unbekannt, verstorben in Igstadt am 23. Januar 1800.
Tochter Mamel heiratete am 13. März 1799 Salomon Gerson aus Igstadt und verstarb 1826. Die weitere Familie ist die des Schutzjuden Eleaser. Wann genau Eleasar Isaak, geboren 1739, nach Igstadt
kam, ist nicht bekannt. Er war verheiratatet mit Gitel Moses. Eleasar kauft als Schutzjude 1800 im Alter von 61 Jahren das Haus in der heutigen Altmünsterstraße. Er starb am 30. Oktober 1804.
Seine Frau Gitel starb im Alter von 50 Jahren am 28. Februar 1801. (Quelle: HHStAW, Abt. 484, Nr. 190)
Eleaser Isaak ist ein Vorfahr der Familie Löwensberg. Somit reichen die
Wurzeln der Löwensbergs, die in den 1930er Igstadt verlassen mussten, bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Weitere Informationen enthält der Aufsatz von Gerhard Buck "Jüdische Familien im 17.
und 18. Jahrhundert" in der Publikation des HGV "Sie waren unsere Nachbarn".
Die Anzahl der jüdischen Haushalte in Igstadt ist schwankend, im Durchschnitt dürften es vier bis sechs Haushalte gewesen sein. Den Chroniken und Zivilstandsregistern ist zu entnehmen, dass die Familien sehr kinderreich waren, durchaus üblich für die damalige Zeit. Als Beruf der Männer ist häufig „Handelsmann“ eingetragen. Es waren die Handelsberufe der ländlichen Regionen wie Milchhändler, Viehhändler, Futtermittel- und Getreidehändler, Stoffhändler, auch Weinhändler. Wann genau Bierstadt zum religiösen Mittelpunkt für die Igstadter Juden wurde, ist (noch) nicht bekannt. Die Synagoge in der heutigen Poststraße in Bierstadt wurde im Jahre 1827 erbaut, der jüdische Friedhof an der Kloppenheimer Straße wurde 1890 angelegt. 1807 war die Igstadter Gemeinde nach Wallau orientiert. Manche Löw (später Löwensberg) aus Igstadt war 1807 Vorsteher der Judenschule in Wallau, wie aus zwei Klagen des Juden David zu Wallau gegen Manche Löw zu entnehmen ist.
In dieser Zeit gab es in Igstadt auch eine Familie Salomon. Samuel Salomon wird 1806 in Igstadt als Sohn eines Salomon Halevi geboren, bewirbt sich 1832 neben dem Dotzheimer Salomon Herxheimer als Rabbiner für die gerade freigewordene Stelle der Wiesbadener Gemeinde, erhält diese aber nicht, weil seine Kenntnisse auf Bibel und Talmud „beschränkt“ seien. Als Gegner des liberalen, später weltweit bekannten Rabbiners Dr. Abraham Geiger gründet Samuel Salomon eine orthodox-jüdische Partei. Ab 1840 wird er von der Nassauischen Polizeibehörde im Zuge der Eingliederung der Juden in die bürgerliche Gesellschaft gezwungen, seinen Namen „Salomon“ aufzugeben. Er nennt sich nun Samuel Ickstätter und geht auch als solcher in die Geschichte ein. Mit ihm beginnt auch die Spaltung der Wiesbadener jüdischen Gemeinde in eine orthodoxe Richtung und eine liberal-reformorientierte.
Gerhard Buck, Spezialist in der Erforschung der jüdischen Familien im "Ländchen" vom 17. bis 19. Jahrhundert, hat für die Publikation "Sie waren unsere Nachbarn" seine Ergebnisse in drei Kapiteln dokumentiert. Es ist ihm u.a. gelungen, die Familie des Samuel Ickstätter ausfindig zu machen, und es konnte somit auch diese Forschungslücke geschlossen werden. Weitere Informationen zu der Auseinandersetzung zwischen Salomon Ickstätter und Abraham Geiger können nachgelesen werden in dem Kapitel "Ein langer Weg ... durch Europa, nach Wiesbaden, nach Igstadt … und ein brutal erzwungener Abschied. Ein Blick auf die Geschichte der Juden und die Entstehung von Judenfeindschaft" von Dr. Wolf-Rüdiger Schmidt.
Zahlreiche Igstadter Juden wurden in Wallau bestattet, der Umkehrschluss, dass es nur diese jüdischen Einwohner in Igstadt gab, ist jedoch nicht stimmig.
Quelle: LAGIS online. Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde, gekürzt.
Leopold Löwensberg wurde 1913 noch in Wallau bestattet, obwohl es bereits den neuen jüdischen Friedhof in Bierstadt gab. Sein Grab ist gut erhalten. Es war der letzte Igstadter Jude, der in Wallau bestattet wurde. Sein ältester Sohn Max verstarb 1925 und wurde in Bierstadt beigesetzt. Nach dieser Zeit findet man die Gräber der Igstadter Juden in Buenos Aires, Tel Aviv, London oder überhaupt nicht mehr, da in Konzentrationslagern nicht bestattet wurde. Mehr dazu lesen Sie bitte in der Geschichte der jüdischen Familien im 20. Jahrhundert.