1878 kaufen Karl Ludwig Cezanne und seine Frau Sophia geb. Alberti das Grundstück in der Bahnhofstraße, heute Glöcknerstraße 9. 1879 wird die Bahnstrecke der Hessischen Ludwigsbahn Wiesbaden - Niedernhausen, die „Ländchesbahn“, in Betrieb genommen. 1880 baut das Ehepaar Cezanne ein einstöckiges Haus aus roten Backsteinen und eröffnet das Gasthaus „Zur Eisenbahn“. 1906 erwerben Adolf Wilhelm Koch und seine Frau Pauline geb. Habel das Wohnhaus und die Schankwirtschaft von der Gastwirtin Sophia Cezanne, Witwe, und ihrem Sohn Philipp, Chordirigent. Pauline betreibt die Wirtschaft, während Adolf seinem Beruf bei der Reichsbahn nachgeht. 1910 verlängern die Eheleute Koch den Exklusivvertrag mit der Wiesbadener Kronen-Brauerei, Sonnenberger Straße, um zehn Jahre. 1936 wird der Gaststättenbetrieb eingestellt und das Lokal zu Wohnräumen umgebaut.
Beschäftigte, die den Bahnhof Igstadt nutzten, kehrten gerne zu einem Bier oder einem Apfelwein in das Gasthaus ein. So auch die Arbeiter aus Nordenstadt und Breckenheim auf ihren Wegen. Das Gebäude wird in den Folgejahren mehrfach erweitert. Es befindet sich bis heute im Besitz von Nachfahren der Familie Koch. Eine Tafel mit QR-Code informiert ab Dezember 2022 über die Historie des Gebäudes. (Stand November 2022)
Die Käufer Adolf Wilhelm Koch (1876 - 1961) und seine Ehefrau Pauline geb. Habel (1882 -1979) mit ihren vier Kindern: Paula (*1906), davor Wilhelm (*1910, gefallen 1943) und Theodor (*1912). Vor dem Vater steht Adolf jun (1908). Die Aufnahme bei dem in Igstadt beliebten Fotografen Samson & Co. in der Burgstraße 10, Wiesbaden, dürfte 1917 entstanden sein. Wilhelm ist schätzungsweise sieben Jahre alt. Paulines jüngster Bruder Heinrich Habel ist 1918 an seinen Verwundungen in einem franz. Feldlazarett gestorben. Es war üblich, dass die Familie eine Fotografie für Familienmitglieder an der Front anfertigen ließ. Adolf und Pauline heirateten am 26.02.1905 in Igstadt. Adolf Koch, Bahnarbeiter, kam aus Niederseelbach, Krs. Untertaunus. Pauline Habel aus Igstadt, Oberstraße 90, war die älteste von sieben Kindern. Laut Namensbuch im Stadtarchiv Wiesbaden war ihr Vater Wilhelm Habel (1852 - 1925) im Laufe seiner Berufsjahre Eisenbahnwärter / Bahnwärter / Weichensteller / Wegewärter / Kreiswegewärter. Der Name des Gasthauses "Zur Eisenbahn" ist also nicht verwunderlich bei so vielen familiären Bezügen zur Bahn. Die Lage am Weg zum Bahnhof in der damaligen Bahnhofstraße hat eine weitere Rolle gespielt. Das Bahnhofsgebäude in der heutigen Form wurde erst 1913 gebaut.
Es wird in Igstadt nicht die einzige Handgreiflichkeit in einem der vielen Gasthäuser gewesen sein: Am 2.9.1911 wird in der Abendausgabe auf Seite 5 des Wiesbadener Tagblatt über folgenden Vorfall berichtet. "In der Wirtschaft "Zur Eisenbahn" hielten gestern drei als Bummler bekannte Burschen aus Bierstadt Einkehr. Sie waren schon in betrunkenem Zustande, tranken aber Bier und Branntwein weiter, was ihnen auch verabreicht wurde. Zum Schluss jedoch verweigerte der Wirt jedes Getränk, da es auch am Bezahlen haperte. Hierauf griffen die Rowdies kurz entschlossen den Wirt und dessen Frau derart an, dass beide Körperverletzungen davontrugen. Besonders der Wirt war mit einem Eisenstück stark mitgenommen worden. Erst als Dorfbewohner herbeieilten, flüchtete einer der Burschen nach Bierstadt, wo er bereits von Gendarmen in Empfang genommen wurde. Der zweite wurde derart verprügelt, dass er zusammenbrach. Man schaffte ihn ins Ortspolizeigewahrsam. Dem dritten, der ebenfalls verprügelt wurde, gelang es zu entwischen. Die Sache wird natürlich das Gericht beschäftigen."